Gedanken zur Coronakrise

03.04.2020

Die Situation und unsere Reaktion

Die Veränderungen, die derzeit rund um den Globus vor sich gehen, hat es in dieser Intensität und Geschwindigkeit, seit die Menschheit existiert, noch nicht gegeben. Selbst große Naturkatastrophen, wie Tsunamis oder Erdbeben betrafen immer nur bestimmte Regionen. Zwar gab es auch schon im Mittelalter Infektionskrankheiten wie die Pest. Diese breitete sich jedoch erst über Jahre und nur teilweise in Europa aus, wenn sie auch sehr viele Tote forderte. In der heutigen Situation hat sich die Welt innerhalb von zwei Wochen gravierend verändert. Durch die Aufhebung verschiedener in der Verfassung garantierter Grundrechte entsteht ein haltloser Zustand, in der der Einzelne auf sich selbst zurückgeworfen wird.

Für das, was im Moment geschieht, fehlt uns schlicht die Erfahrung. Weder ein Denkmuster noch ein genetischer Code unterstützen uns dabei, mit einer Situation umzugehen, die in hohem Maß Unsicherheit und Angst erzeugt, da sie für jeden von uns von existenzieller Bedeutung sein kann. Daher wird die jetzige Lage von vielen Menschen als bedrohlich empfunden. Weil uns noch keine „gelernte“ Reaktion auf die neue Bedrohung zur Verfügung steht, ist neben der Unsicherheit auch Hilflosigkeit spürbar. Durch „Hamsterkäufe“ wird dann beispielsweise versucht, ein Gefühl von Sicherheit wiederherzustellen.

Die eigene Psyche

Die äußeren als bedrohlich empfundenen Umstände treffen in uns auf Strukturen, in denen Angst und Unsicherheit häufig schon in früheren Lebensphasen erfahren wurden. Dies betrifft traumatisierende Erfahrungen, die uns häufig nicht mehr bewusst sind, da unsere Psyche sie in ihrer Not abgespalten hat, damit wir überleben. Die jetzige äußere Situation kann also auf innere nicht verarbeitete Ängste stoßen und diese damit neu aktivieren (triggern). Ist dies der Fall, kann die betreffende Person die Ursachen ihrer Angst oft nicht mehr klar differenzieren. In der Folge steigt der Stresspegel.

Die Frage ist nun, was wir in einer solchen Lage tun können, um uns sicherer zu fühlen und somit weniger Angst zu spüren. Als „normale“ Reaktion geht unsere Psyche in diesem Fall häufig zur „Tagesordnung“ über und versucht, im Rahmen vertrauter Strukturen den Alltag zu bewältigen. Wir versuchen uns zu orientieren und die Situation in ihrer Gefährlichkeit einzuschätzen. Im nächsten Schritt ergreifen wir Schutzmaßnahmen, die unser Überleben sichern.

Fehlende Orientierung durch invalide Information

Das Problematische in der jetzigen Situation ist, dass die für unsere Orientierung benötigten Informationen äußerst widersprüchlich sind. In den meisten Medien werden wir derzeit täglich mit den steigenden Zahlen der Infizierten und Verstorbenen sowie mit einander ähnelnden Szenen aus den Intensivstationen europäischer Krankenhäuser konfrontiert. Auch die regelmäßige Darstellung des Abtransportierens von Särgen in den Hauptnachrichten verfehlt sicherlich nicht ihre Wirkung.

Wer sich die von den offiziellen Institutionen präsentierten Zahlen genauer anschaut, stellt fest, dass über die Grundlage der Erhebung nicht informiert wird. Offensichtlich ist es zumindest in Deutschland so, dass nur der/die getestet wird, bei dem „Verdacht“ besteht, er/sie könnte Kontakt zu einem bereits Infizierten gehabt oder sich in einem „Risikogebiet“ aufgehalten haben. Was bis heute fehlt, ist die Erhebung einer Vergleichsgruppe in der Bevölkerung, wie es bei seriösen statistischen Erhebungen üblich ist, um zu einem validen Ergebnis zu kommen. Wenn ich beispielsweise nur Personen teste, bei denen ein hoher Verdacht auf eine Infektion besteht, werde ich andere Ergebnisse erhalten, wie bei einer Vergleichsgruppe, die nicht diesem „Verdacht“ unterliegt.

Eine andere Frage ist, wie viele Tests pro Zeiteinheit durchgeführt werden. Wenn das Robert-Koch-Institut zum Beispiel am 26.03.2020 mitteilt (1), dass in der KW 11 insgesamt 127.457 Tests mit 7.582 positiv Getesteten durchgeführt wurden, eine Woche später dann 348.619 Tests mit 23.820 positiv Getesteten, so sieht das zunächst nach einer enormen Steigerung der Infizierten aus, wodurch sich deren Zahl deutlich erhöht. Setzt man dagegen die Anzahl der positiv Getesteten in das Verhältnis zu der Anzahl der Tests, so ergibt sich eine Steigerung von 5,9% auf 6,8%, also weniger als einem Prozent.

Statt jedoch diesen Zusammenhang transparent zu machen, werden im nächsten Bericht am 27.03.2020 diese Informationen wieder entfernt (2).

Unabhängige Publikationen, wie Rubikon, KenFM oder andere, versuchen auf diese Sachverhalte hinzuweisen und werden anschließend von offiziellen Medien, wie beispielsweise dem ARD „Monitor“ vom 02.04.2020, als Verschwörungstheoretiker bezeichnet und pauschal mit rechtspopulistischen Medien in einen Topf geworfen.

Der New York Times Kommentator Charlie Warzel fasst die aktuelle Berichterstattung so zusammen:

 „Das Coronavirus tritt mitten im goldenen Zeitalter der Medien Manipulation auf. Und es ist für die Experten verborgen, nachgiebig und verwirrend. Es verbreitet sich weitaus schneller, als Wissenschaftler es untersuchen können. Was heute wahr zu sein scheint, könnte morgen falsch sein. Unsicherheit verbreitet sich. Und eine Anordnung von gefährlichen Falschinformationen, Desinformationen und fehlerhaften Amateur-Analysen füllt die Lücke.“ (3)

Die Spaltung in der Gesellschaft

An den gegenwärtigen Reaktionen auf Veröffentlichungen von Publizisten oder Wissenschaftlern, deren Meinung den Mainstream-Medien entgegensteht, wird sichtbar, dass sich nicht nur der Einzelne, sondern die gesamte Gesellschaft in einer Spaltung befindet, in der es nur noch ein Entweder-Oder gibt (4). Entweder zählt man zu den „Guten“ oder zu den „Verschwörern“. Eine inhaltliche Auseinandersetzung in Form eines Dialoges findet nicht mehr statt, der Andersdenkende wird stattdessen häufig als rechtspopulistisch abgestempelt, auch wenn diese Etikettierung gar nicht zutrifft.

Diese Entwicklung in Verbindung mit der Einschränkung der Grundrechte führt meines Erachtens derzeit zu einer kritisch-explosiven gesamtgesellschaftlichen Situation, die das soziale Leben auf eine harte Probe stellen wird. Statt einen offenen Dialog zu führen, bedient man sich zunehmend eines militärischen Vokabulars, beim des nur noch Freund oder Feind gibt. Pauschalisierungen sollen eine durch Fakten gesicherte Orientierung ersetzen.

Orientierungslosigkeit erzeugt auch bei den Verantwortlichen Angst und Unsicherheit. In Ermangelung konkreter und valider Informationen besteht für sie die Gefahr, Fehlentscheidungen zu treffen und die Gefährlichkeit der Lage falsch einzuschätzen. Eine Unterschätzung kann man den Regierungen der meisten Länder angesichts der massiven Einschränkung der Grundrechte derzeit nicht vorwerfen. Die Frage ist eher, ob die getroffenen Maßnahmen in diesem Ausmaß tatsächlich notwendig sind.

Offene Fragen

Hier einige offene Fragen, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwar noch nicht beantwortet, aber dennoch gestellt werden sollten:

  • Auf welchen gesicherten Informationen beruhte die Entscheidung der Regierungsverantwortlichen, die in der Verfassung gesicherten Grundrechte derart einzuschränken? War diese Entscheidung überhaupt legitim?
  • Die Maßnahmen in Deutschland wurden nach Aussage des Robert-Koch-Instituts nicht getroffen, um die Zahl der Infektionen zu senken, sondern sie so zu verlangsamen, dass es in den Krankenhäusern zu keiner Überlastung der Intensivstationen und somit zum medizinischen Notstand kommt. Rechtfertigt diese Situation in der medizinischen Versorgung eine komplette Volkswirtschaft herunter zu fahren? Welche wirtschaftlichen Folgen wird dies für die Zukunft haben? Was bedeutet das für die Staatsverschuldung?
  • Wie wird das globale Finanzsystem reagieren? Fest steht schon heute, dass einige Hedgefonds, die auf fallende Kurse an den Börsen spekuliert haben, hohe Gewinne erzielen konnten.
  • Wie wird unser Leben nach der „Pandemie“ aussehen? Kommt die eigentliche Krise erst danach? Wie viele Geschäfte und Restaurants wird es nicht mehr geben? Wie viele Arbeitslose werden es danach sein?
  • Werden unsere freiheitlichen Grundrechte in vollem Umfang wiederhergestellt?
  • Wie bereiten sich die Staaten auf die nächste „Pandemie“ vor, die sicherlich kommen wird?
  • Wie kann die gesellschaftliche Spaltung, das Denken im Entweder-Oder, durch eine neue Kultur des Respekts und des Dialogs überwunden werden?

Was können wir tun?

Angesichts der massiven Verunsicherung und Desorientierung stellt sich die dringende Frage, wie wir als Individuen mit der geschilderten Situation umgehen können. Dazu möchte ich drei Punkte vorschlagen:

Auch wenn das Coronavirus der Auslöser war, sind wir durch eine daraus resultierende gesamtgesellschaftliche Veränderung (Einschränkung der Grundrechte, Kurzarbeit) in unserem Grundbedürfnis nach Kontakt und sozialem Beisammensein derzeit auf unbestimmte Zeit allein gelassen. Der soziale Kontakt findet, außer in den Familien, aktuell hauptsächlich über die „sozialen“ Medien statt. Technik ersetzt Beziehung, sofern der Betreffende in der Lage ist, damit umzugehen. Menschen ohne Computer und Internet bleibt nur noch das Telefon. Wichtig erscheint mir in dieser Situation, jede Kontaktmöglichkeit zu nutzen, die zur Verfügung steht, auch wenn eine direkte Begegnung nicht möglich ist.

Ein zweiter Punkt, auf den ich hinweisen möchte, ist, sich immer wieder erneut die Frage zu stellen „Was passiert wirklich?“ Das bedeutet konkret, sich nicht nur über die öffentlich-rechtlichen Medien zu informieren, sondern auch andere Positionen zur Kenntnis zu nehmen und sich daraus eine differenziertere Meinung zu bilden. Das Internet stellt hier umfangreiche Informationen zur Verfügung, die jedoch ebenso hinterfragt werden sollten, wie die der offiziellen Medien.

Als dritten Punkt möchte ich dazu einladen, sich dem eigenen Gefühl der Unsicherheit und Angst zu stellen und sich zu fragen: Was in mir wird durch die derzeitige äußere Situation bewegt? Warum reagiere ich so? Häufig steht hinter der eigenen Unruhe und Angst ein nicht verarbeiteter Konflikt aus der Vergangenheit (Trauma), der bis in die Gegenwart weiterwirkt und durch äußere Anlässe erneut getriggert wird. In diesem Fall ist es sinnvoll, sich fachliche Unterstützung zu suchen.


Viele Entscheidungen und Maßnahmen der Verantwortlichen können im Moment nicht zuverlässig auf ihre Angemessenheit überprüft werden. Daher kommt es für uns alle darauf an, die sich täglich ändernde Situation genau zu beobachten und realistisch einzuschätzen – ohne Bewertung und Pauschalisierung. Eine realistisch differenzierte Einschätzung bedeutet auch, sich von Vorurteilen und Wunschdenken zu distanzieren und sich somit die eigene Fähigkeit zum Dialog zu erhalten.

.

Quellen:
(1) COVID-19-Lagebericht des Robert-Koch-Instituts vom 26.03.2020, Seite 6
(2) vgl. COVID-19-Lagebericht des Robert-Koch-Instituts vom 27.03.2020
(3) Charlie Warzel, “What We Pretend to Know About the Coronavirus Could Kill Us”, New York Times, 03.04.2020
(4) vgl. Hans-Joachim Maaz, Das gespaltene Land. Ein Psychogramm, 2020

.