Somatic Experiencing (SE)®

Die körperorientierte Traumatherapie Methode Somatic Experiencing (SE)® wurde bereits vor Jahrzehnten von Dr. Peter A. Levine entwickelt. Ihm fiel auf, dass Tiere lebensbedrohliche und somit traumatisierende Situationen unbeschadet überstehen. Er fragte sich, über welche Reaktionsweisen sie verfügen, um bedrohliche Ereignisse ohne Folgesymptome zu verarbeiten und warum dies häufig bei Menschen nicht möglich ist.

Aus dieser Beobachtung hat sich eine Therapiemethode entwickelt, die heute zu den weltweit am meisten verbreiteten Verfahren zur Behandlung von Symptomen als Folge traumatischer Erfahrungen gehört.

Im Kern geht es bei Somatic Experiencing (SE)® darum, die im Körper und Nervensystem gespeicherten Informationen auf traumatisierendes Erleben aufzuspüren und zu bearbeiten. Da uns traumatisierende Erfahrungen häufig nicht mehr kognitiv bewusst sind – vor allem, wenn sie sich in früher Kindheit ereigneten – ist es naheliegend, über eine körperorientierte Methode diese Informationen zu bearbeiten.

Wie entsteht ein Trauma?

Es gibt Situationen im Leben, die den Menschen durch ihr plötzliches Eintreten oder ihr Ausmaß völlig überfordern. Das kann zum Beispiel durch die Erfahrung von Krieg oder durch eine Naturkatastrophe geschehen. Aber auch Ereignisse im alltäglichen Leben, wie ein Sturz, eine schwere Krankheit, Gewalt in der Familie oder der Verlust eines nahestehenden Menschen können traumatisierend wirken.

In sozialpsychologischen Untersuchungen hat man herausgefunden, dass Menschen dieselbe belastende Situation unterschiedlich verarbeiten. Ein Teil der Betroffenen zeigte danach keine weiteren Symptome, bei anderen kam es nach Monaten zu einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), die therapeutisch behandelt werden musste. Der Grund hierfür liegt in der unterschiedlichen Belastungsgrenze eines jeden Einzelnen, die wiederum von der jeweiligen Vorgeschichte der Person abhängt. Wann spricht man nun von einem Trauma?

Ein Trauma entsteht dann, wenn dem Betroffenen keine andere Möglichkeit der Verarbeitung eines Ereignisses zur Verfügung steht als die Spaltung. In belastenden Situationen mit anderen Menschen versuchen wir zunächst, ein Problem durch soziale Kommunikation zu lösen (Social Engagement System). Wenn das nicht gelingt, besitzen wir auf der zweiten Reaktionsstufe die Mittel Kampf oder Flucht. Sind auch diese Formen der Reaktion nicht realisierbar (wie zum Beispiel bei einem kleinen Kind), schaltet unser Nervensystem auf eine dritte Alarmstufe: die Immobilität oder Erstarrungsreaktion. Besonders kennzeichnend für das Auftreten dieser dritten Stufe ist ein Ereignis, in der der Betroffene über längere Zeit regungslos in einer Situation verharren musste (wie beispielsweise ein Soldat, der sich vor dem Feind versteckt hat).

Von Spaltung wird dann gesprochen, wenn durch die Immobilitätsreaktion das Nervensystem die Gefühle abschaltet um das Überleben zu sichern. Im Unterschied zu einer Kampf-/Fluchtreaktion bleibt jedoch die emotionale Erstarrung auch nach Ende des Ereignisses weiter bestehen, ohne dass dies dem Betroffenen bewusst sein muss. So entsteht beispielsweise eine PTBS oft mit monate- oder jahrelanger Verzögerung. Andere Menschen „funktionieren“ nach einem traumatisierenden Erlebnis im „Überlebensmodus“ weiter und fühlen sich dabei innerlich leer oder leblos. Es geht bei der therapeutischen Arbeit mit Somatic Experiencing daher weniger darum, vergangene Erlebnisse zu rekapitulieren, sondern um eine Verarbeitung der Reaktionen auf diese Ereignisse, den „Traumafolgestörungen“. Die damit verbundenen Symptome sind also nicht auf die Ereignisse selbst zurückzuführen. Sie entstehen dadurch, dass sich die in der Notfallsituation mobilisierte extreme Energie nach dem Ereignis nicht wieder vollständig entladen kann und im Nervensystem verbleiben muss.

Wie arbeitet Somatic Experiencing?

In der Therapie erfolgt die Verarbeitung der Traumafolgen durch kleinschrittige Prozesse in der Körperwahrnehmung. Häufig löst ein Gefühl (z. B. Angst) auch eine Reaktion im Körper aus (z. B. Zittern). Bei traumatisierenden Erfahrungen können diese Wahrnehmungen getrennt werden, d. h., die Emotion wird abgespalten, weil sie zu unerträglich ist. Sie bleibt aber dennoch aufs Engste mit dem Nervensystem verbunden, so sind zum Beispiel Angst und Immobilität stark gekoppelt. Daher können Körperreaktionen wie Emotionen auch Jahre später durch ähnliche Ereignisse wieder ausgelöst („getriggert“) werden – eine Reaktion, die für den Betreffenden manchmal nicht mehr nachvollziehbar ist. Der eigene Körper kann so zum „Feind“ werden.

Die durch das Trauma verursachte Belastung, manchmal auch das auslösende Ereignis, ist den Betroffenen häufig nicht mehr bewusst. Dennoch ist die Information im Nervensystem nach wie vor präsent, was sich bei Trigger-Reaktionen deutlich zeigt. Wie kann nun in der Therapie ein erneutes Triggern verhindert und dennoch die andauernde Belastung abgebaut werden?

Somatic Experiencing ermöglicht dies durch das sogenannte „Titrieren“, d. h. eine Verarbeitung in kleinst möglichen Dosierungen. Es wird dabei von der Belastung nur so viel freigesetzt, wie das Nervensystem verarbeiten und integrieren kann. Zusätzlich werden Ressourcen zur Stabilisierung entwickelt. Im Pendeln zwischen dosierter Belastung und Ressource kann es dann durch ein „Neuverhandeln“ Schritt für Schritt zur Selbstregulation und damit zur Integration des Traumas kommen.

In der Therapie mit Somatic Experiencing begleite ich Sie behutsam durch diesen Prozess, Gefühle und Körperreaktionen in kleinen Schritten neu zu „verhandeln“, d. h. wahrzunehmen und zu verarbeiten ohne davon überwältigt zu werden. In der Folge können sich dann auch die Körperreaktionen und unangenehme Gefühle verringern.

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